Warum, wie und was wir riechen können im Wald ...
Veröffentlicht von Dr. Karsten Wallberg in Geruchssinn · Donnerstag 07 Jul 2022 · 3:30
Wir wissen, dass jede Jahreszeit und besonders der Wald einen eigenen Duft hat. Klar ist aber auch, dass unsere Duftwahrnehmung im letzten Jahrhundert weiter verkümmert ist und wir uns mit unserem Riechorgan nicht mehr orientieren müssen (bis auf wenige Ausnahmen), um zu überleben.
Das Riechen ist eine Ur- Sinneswahrnehmung, die wir mit Tieren, wie zum Beispiel Fischen, Lurchen, und Reptilien gemeinsam teilen. Riechen ist unmittelbar mit unseren Instinkten und Gefühlen verbunden, d.h. mit den tieferen Schichten von unserem Bewusstsein, das haben schon vor mehr als 60 Jahren Studien aufgezeigt - siehe dazu auch den Menüpunkt Wissenschaft und Ergebnisse, wo dazu aktuelle Quellen und Studien aufgezeigt werden.
Riechen ist im ältesten Teil des Hirns verankert. Verantwortlich dafür ist die Schaltstelle Hypothalamus in unserem Mittelhirn. Hier wirken die von uns wahrnehmenden Düfte auf endokrine Düsen und auf das vegetative Nervensystem. Bevor sich das bewusste Ego eines Säuglings entwickelt hat, d.h. u.a. Orientierung an Raum und an eine Zeitwahrnehmung - ist nämlich bereits folgendes innerhalb der Schwangerschaft passiert:
Bereits in der vierzehnten Schwangerschaftswoche sind beim menschlichen Embryo die Riech- und Geschmacksknospen ausgebildet, also lange vorher, bevor er als Neugeborenes Wesen umgehend und Allererstes schnuppernd die Brustwarzen der Mutter sucht.
Aber wieder zurück zum Wald. Jede Holzart hat seinen eigenen Duft. So riecht die Fichte harzig und aromatisch, die Eiche eher säuerlich, nach Vanille duftet die Salweide, das Ulmenholz riecht nussig, die Buche dagegen leicht säuerlich und die Birke lieblich. Bei unserer Sprechstunde im Wald tauchen wir ein in ein Meer der Düfte und meine Teilnehmer merken dies erst oft, wenn sie ganz bewusst den Wald durchstreifen bzw. ich sie darauf aufmerksam mache. Woher kommen die Düfte im Wald? So wie wir als Mensch untereinander kommunizieren, so kommunizieren die Pflanzen im Wald über ihre Ausdünstungen.
Jede Jahreszeit im Wald hat einen eigenen Duft, zum Beispiel:
Im Winter duftet der Wald anders als im Sommer. Im Winterwald kann man den kommenden Schnee in der Luft spüren. Mit einem erdigen Geschmack und durchsetzt mit Frühlingsblumenduft kommt uns im Frühjahr der Wald entgegen. Im Sommer, wenn die brütende Hitze auf den Wald wirkt, dringt ein Harzgeruch der Tannen und Fichten in unsere Nase und oft gepaart mit dem säuerlichen Geruch der Waldarmeisen. Im Herbst kommen dann die Düfte der Pilze dazu und der Geruch des modernden Laubs.
Jede Tageszeit im Wald hat einen eigenen Duft, zum Beispiel:
In den Morgenstunden duftet der Wald im Frühling besonders nach Kräutern, besonders stark ausgeprägt ist dabei der Bärlauch. Die Blüten der Pflanzen im Wald verströmen ihre Aromen aber nicht gleichbleibend über den Tag. Es gibt so etwas wie ein Blütenuhr, auf die sich die Insekten eingestellt haben. Diese sogenannte Blütenuhr zeigt den Insekten an, wann die Blumen ihre Blüten öffnen oder schließen. So duftet zum Beispiel die Kamille in den Morgenstunden ganz stark und andere erst gegen Mittag. Aber auch das Geißblatt, die Lichtnelke oder die Nachtkerze duften eben erst nach Sonnenuntergang.
Lange hielt man die Tollkirche für eine Pflanze, die überhaupt keinen Duft versprüht, bis Wolf-Dieter Storl Wissenschaftler - siehe Quellennachweis im Menüpunkt der Webseite www.waldsprechstunde.de "Wissenschaft und Ergebnisse" beobachtete und auch selbst erlebte, dass die Tollkirsche einen süßlichen Duft wie billige Seifen ausströmt und zwar erst um Mitternacht. Damit lockt die Belladonna Nachtschwärmer an.
Fazit:
Begleiten Sie mich doch einmal bei einer Waldsprechstunde und wir üben gemeinsam unseren verkümmerten Geruchssinn neu zu entdecken. Der Wald überrascht uns dabei mit unerwarteten Duftergebnissen, indem wir auch gemeinsam Blätter, Kräuter oder Nadeln mit den Fingerspitzen reiben.
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Ich freue mich auf Sie!
Ihr Dr. Karsten Wallberg
6 Rezensionen
Felix
Montag 15 Feb 2021
Ein sehr informativer Artikel! Mir war nicht bewusst, wie früh sich der Geruchssinn bei uns Menschen herausbildet bzw. wie tief er in unserem Gehirn verankert ist.
Wie sich wohl die Düfte des Waldes auf unser Bewusstsein auswirken?
Dr. Wallberg
Sonntag 14 Feb 2021
Hallo Karin,
mir ist keine Studie darueber bekannt, aber eine interessante Frage. Sicher wird es den Kühen in den Ställen so gehen wie uns selbst als Menschen. Wenn man etwas nicht mehr braucht bzw. benutzt, dann verkümmert das Riechorgan der Stallkuh.
Karin
Sonntag 14 Feb 2021
Anfrage an den Coach von der Waldsprechstunde....Riechen Almkühe besser als die, die immer im Stall stehen müssen?
Klaus
Sonntag 14 Feb 2021
Sehr schoen geschrieben und interessant!
Zoran
Sonntag 14 Feb 2021
Sehr schön formuliert und wie immer sehr interessant.
Man kann die Waldsprechstunde nur empfehlen.
Verspreche Ihnen mit Dr.Karsten Wallberg wird es nie langweilig.
Er hat immer einen Weg alles noch interessanter zu machen.
Weiter so Dr.Karsten Wallberg.
Sigfried
Sonntag 14 Feb 2021
Also, ich muss schon sagen, ich bin auch von dem zweiten Beitrag überrascht. Ich kenne Karsten, d.h. Dr. Wallberg schon sehr lange und hatte anfangs gedacht, na ja der erzählt ja immer wieder den gleichen Inhalt bei einer Waldsprechstunde. Nein so ist es eben nicht und das macht besonders Spaß, weil die Teilnehmer auch selbst Themen auswählen können. Ich freue mich deshalb auf den Frühling, wenn es wieder los geht - hoffentlich (Corona)! Diesmal bringe ich meine ganzen Chor mit und ein Waldlied als Dankeschön werden wir auch einüben!